
Welcher Beruf ist relevant – welcher nicht
Zurzeit wird unter dem Vorwand der Aufdröselung von Berufen in „systemrelevant“ und „nicht systemrelevant“, ein weiterer Keil durch die Gesellschaft getrieben. Diese ist anscheinend noch nicht gespalten genug. Wo täglich selbsternannte Experten die Internet-Gemeinde mit ihren wirren Theorien behelligen, sorgt sich das arbeitende Volk nun darum, welches Geschlecht systemrelevanter ist.
Der Herold verschafft mal wieder den Durchblick
Als kurzer Einstieg sei gesagt. Ja, wir wissen dass in den gleich genannten Berufen sowohl Frauen als auch Männer arbeiten. Die Wahl der Endung basiert auf dem prozentualen Anteil des in diesem Berufsfeld arbeitenden Geschlechts. Zu den systemrelevanten Berufen gehören unter anderem Kassiererinnen und Pflegerinnen. Dafür feiert sich gerade die Frauenwelt. Wilde Statistiken werden veröffentlicht. Über 80% der systemrelevanten Tätigkeiten werden von Frauen ausgeübt. Toll. Und wer fährt den Kassiererinnen die Ware in den Laden? Wer hat überhaupt den Laden gebaut? Wer baut das Auto/Bus/Straßenbahn um zur systemrelevanten Arbeit zu kommen? WER?
Und ja, Frauen sollen für gleiche Leistung gleich viel Geld bekommen. Frauen sollen die gleichen Chancen im Arbeitsmarkt haben. Alles gut. Aber jetzt die Leistung weniger hervorzuheben und die anderer als unwichtig zu betiteln, halte ich für falsch. Es trifft ja Frauen wie auch Männer, wenn man ihre Tätigkeit als verzichtbar deklariert. Die Kassiererin kann nicht kassieren ohne eine Wohnung, die gebaut werden musste, ohne Strom, ohne Straßen, ohne Frisur und so weiter. Natürlich befinden sich diese Berufsgruppen gerade in einer Ausnahmesituation mit erhöhtem Arbeitsaufkommen und sogar mit erhöhter Infektionsgefahr. Aber macht sie das automatisch systemrelevant? Wenn wir Berufe so klar einordnen können, verstehe ich nicht, warum ausgerechnet die systemrelevanten Tätigkeiten mit so einem geringen Gehalt entlohnt werden. Außerdem stellt sich natürlich die Frage nach dem System an sich, wenn wir offensichtlich viele Leute für eine Leistung bezahlen, die im Grunde genommen kein Mensch braucht.
Die Kernaussage soll hier sein, dass wir alle – außer vielleicht Anwälte, Immobilienmakler und Influencer – wichtig für das „System“ sind. Es sind so viele Zahnrädchen die ineinander greifen. Wenn eines fehlt, funktioniert bald nichts mehr. Das WIR ist jetzt maßgebend, nicht das Selektieren in wichtig und unwichtig.
Und natürlich gönne ich den Frauen diesen Triumpf. Noch mehr würde ich den Ladies aber eine gerechte Bezahlung gönnen. Wie ja von einigen schon festgestellt wurde, kann man vom beklatscht werden keinen Urlaub bezahlen.
Der Herold bedankt sich bei den Systemirrelevanten: Bauarbeiter, Fliesenleger, Bandarbeiter, Hausmeister, Lastwagenfahrer, Lagerarbeiter, Straßenbauer, Busfahrer, Handwerker im Allgemeinen und alle die sich durch den momentanen Hype zurückgelassen fühlen. Ihr seid auch wichtig. Tschakka